Wir waren wichtiger als die Kanzlerin

Hans Ostler, Flugmeilen wurden in den nuller Jahren ein wichtiges Statussymbol. Wie viele hat Franz Beckenbauer während der WM in Deutschland gesammelt?
Insgesamt haben wir 25.000 nautische Meilen zurückgelegt. Wir waren bei 48 WM-Spielen, sind 100 Stunden geflogen.
Inwiefern schweißt das zusammen?
Man kennt die Eigenheiten jedes Einzelnen. Ich habe Franz Beckenbauer und seine ständigen Begleiter, Fedor Radmann und Marcus Höfl, immer am Stadion herausgelassen. Wir haben in der Zwischenzeit aufgetankt und waren kurze Zeit später wieder abflugbereit. Da waren gar nicht mehr viele Worte notwendig. Es wurde lediglich abgesprochen, ob wir schon in der Halbzeit abfliegen oder erst nach Spielende.
Was waren die Eigenheiten von Beckenbauer?
Besondere Wünsche hatte der Kaiser nicht, ein Getränk hat er sich erst im Stadion gegönnt. Wenn er im Hubschrauber saß, genoss er die herrliche Landschaft, die sich zu seinen Füßen ausbreitete. Er hatte immer schon kurz nach dem Start ein Lächeln auf dem Gesicht. Was er oben in der Luft nie wollte: über Fußball diskutieren.
Wie sah Deutschland im WM-Sommer aus 600 Metern Höhe aus?
Eine wunderschöne Landschaft und ständig schönes Wetter. Besonders faszinierend waren die Nachtflüge, gerade, wenn man am Rhein entlangflog, von Köln nach Frankfurt.
„Wir sind auch nur ein einziges Mal zu spät gekommen – zwei Minuten“
Ihr Transportmittel war eine Augusta 109 Power E. Warum sind Sie mit diesem Modell geflogen?
In dieser Preisklasse ist das einfach der schnellste Hubschrauber, schafft 300 Stundenkilometer. Wir sind auch nur ein einziges Mal zu spät gekommen – zwei Minuten.
Wie ist es Franz Beckenbauer gelungen, überall gleichzeitig zu sein?
Die Planung seines Managers Marcus Höfl war herausragend. Beckenbauer, Radmann und Höfl haben höchstens fünf Minuten nach dem Abpfiff das Stadion verlassen, so saßen sie spätestens zur zweiten Halbzeit schon wieder beim nächsten Spiel.
Welcher war der längste Einzelflug?
Die Flugroute von Berlin nach Gelsenkirchen. Sonst waren die Strecken ungefähr gleich lang. Wir waren meistens etwa ein bis zwei Stunden in der Luft. Der Sprit hätte für drei Stunden gereicht.
Irgendwelche Komplikationen?
Als wir einmal von Nürnberg zurückfliegen wollten, zogen schwere Gewitterwolken auf. Es war eine knifflige Entscheidung. Wir hatten aber für den deutschen Luftraum Narrenfreiheit und konnten somit auch nachts zurückfliegen. So kamen wir genau zwischen zwei riesigen Gewittern in Frankfurt an. Kurze Zeit später ging dann die Welt unter.
Sie flogen also während der WM den wichtigsten Hubschrauber in ganz Deutschland?
Wir waren sogar wichtiger als die Maschine der Bundeskanzlerin.
Welche Landung war die ungewöhnlichste?
Wir sind meistens auf den Trainingsplätzen vor dem Stadion gelandet, nur in München, ausgerechnet, erhielten wir keine Unterstützung von der Stadt. Nicht mit uns, haben wir gesagt, und dann selbst die Initiative ergriffen. Wir haben mit einem Bauern in Stadionnähe verhandelt. Er hat uns dann immer seinen Acker zur Verfügung gestellt.
Ihr wichtigster Passagier sah immer formvollendet aus. Schwitzt Beckenbauer nicht?
Wenn wir die Klimaanlage im Hubschrauber nicht gehabt hätten, hätte er bestimmt ein bisschen verschwitzter ausgesehen. Fedor Radmann hat immer schon wenige Sekunden, nachdem wir abgehoben hatten, geschrien: „Luft, Luft!“. Die Klimaanlage brauchte aber immer ein paar Minuten, bis sie die gewünschte Temperatur erreicht hatte.
Können Sie uns hiermit hoch und heilig versichern, dass immer der richtige Kaiser im Stadion saß und kein Doppelgänger?
Zu einhundert Prozent!
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